Angst + Stress

Psychoemotionale Belastungen, also Angst und Stress, spielen eine entscheidende Rolle für die Herausbildung fast aller psychischen Störungen.

Aus diesem Grund habe ich mich während meiner Forschungstätigkeit an der Psychiatrischen Klinik besonders intensiv mit der Frage befasst, welche Auswirkungen Angst und Stress und die damit einhergehende, vermehrte Freisetzung von Stresshormonen auf das Gehirn haben. Es gab damals bereits eine Vielzahl von Einzelerkenntnissen, die ich zu ordnen und zu einem ganzheitlichen Bild zusammenzufügen versucht habe. Ein entscheidender Schlüssel zum Verständnis der z. T. sehr unterschiedlichen bis dahin bekannten Effekte von Angst und Stress auf die Funktion und die innere Organisation des Gehirns war die Unterscheidung zwischen „kontrollierbaren“ und „unkontrollierbaren“ Belastungen. Kontrollierbare Belastungen, also bewältigbare Herausforderungen führen zu einer Verstärkung der zur Bewältigung eingesetzten Funktionen, Bereiche und Strukturen im Gehirn. Unkontrollierbare Belastungen hingegen haben eine fortschreitende Destabilisierung bereits herausgebildeter Reaktionsmuster und Vernetzungen zur Folge. Damit eröffnen sich bis dahin nicht vorhandene Möglichkeiten für eine tiefgreifende Reorganisation bereits etablierter neuronaler Netzwerke und Verschaltungen.

Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es niemals die objektiven Gegebenheiten, sondern die subjektiven Bewertungen dieser Gegebenheiten sind, die ausschlaggebend dafür sind, ob eine Belastung von einer Person als „kontrollierbar“ oder als „unkontrollierbar“ bewertet und empfunden wird. Und von dieser subjektiven Bewertung hängt es dann auch ab, welche akuten Reaktionen und welche langfristigen Auswirkungen im Gehirn und im Körper der betreffenden Person psychische Belastungen zur Folge haben.

Publikationen hierzu

Hüther, G.
Die neurobiologische Verankerung traumatischer Erfahrungen – Experimentelle und klinische Hypnose
18, 1/2, 7-22, 2002

Sachsse, M.,D., von der Heyde, S., Hüther, G.
Stress regulation and self-mutilating behavior
Am J. Psychiatry 159 4, 674ff., 2002

Messner, M., Hardeland, R., Rodenbeck, A., Hüther, G.
Effect of continous melatonin infusions on steady-state plasma melatonin levels, metabolic fate and tissue retention in rats under near physiologic conditions
Adv. Exp. Med. Biol. 467, 303-313, 1999

Hüther, G.
Stress and the adaptive self-organization of neuronal connectivity during early childhood
Int. J. Devl. Neurosci. 16, 297-306, 1998

Huether G.
The Central Adaptation Syndrome: Psychosocial stress as a trigger for adaptive modifications of brain structure and brain function
Prog. Neurobiol. 48, 569-612, 1996

Huether G., Doering, S., Rüger, U., Rüther, E., Schüßler, G.
Psychische Belastungen und neuronale Plastizität: Ein erweitertes Modell des Streß-Reaktions-Prozesses als Grundlage für das Verständnis zentralnervöser Anpassungsprozesse
Zsch. psychosom. Med. 42, 102-127, 1996